Aufstieg im Freien. Dieses schmale Haus in der Breite fällt auf
Basler Zeitung | 21.01.2025
Markus Wüest
Das Holzhaus an der Zürcherstrasse fällt wegen seiner ungewöhnlichen Machart auf – und ist schon fast ausgemietet.
Ein denkbarer Ansatz, um diese Geschichte zu erzählen, wäre die Fokussierung auf den Namen. «Woodstogg» steht an dem Neubau angeschrieben. Und selbst wenn man mittlerweile diese trendigen Kombinationen von Englisch und Mundart uber hat, also über, entbehrt dieser nicht einer Prise Humor. Woodstock heisst das legendäre, dreitägige Open-Air, das man als Höhe- und Endpunkt der Hippies betrachten kann. 400’000 Besucherinnen und Besucher in White Lake, Upstate New York, im August 1969. In Woodstock, etwa 70 Kilometer entfernt, hatte man sich ursprünglich treffen wollen.
Beim Treffen mit dem Architekten des «Woodstogg» ergibt sich aber sehr rasch ein anderer Zugriff auf diesen markanten Neubau. Das mehrstöckige, schmale Gebäude steht an der Zürcherstrasse, Thomas Hildebrand, der das Haus entworfen hat, kommt aus Zürich und die Besitzer, die 8stogg AG, ist in Pfäffikon am Zürichsee daheim.
Es ist also weniger das Kulturgeschichtliche, das als Klammer dienen kann, sondern viel mehr das Zürcherische. Wobei auch dies (leicht) in die Irre führt, denn der Besitzer hat seine Wurzeln in ebendiesem «Woodstogg», stammt also ursprünglich aus Basel, genauer aus der Breite.
Hildebrand Architekten aus Zürich
Die fehlende Breite ist eine der Auffälligkeiten des Neubaus. Nur etwas über acht Meter misst der Abstand zwischen den Nachbarhäusern. Das stellte Hildebrand Architekten vor die Herausforderung, mit dem zur Verfügung stehenden Raum möglichst geschickt umzugehen.
Sieht man sich das Haus von aussen an, sticht das Treppenhaus ins Auge. Es ragt hervor und ist im Freien. Die Metallkonstruktion findet sich also nicht wie üblich im Innern des Gebäudes, sondern ist, unverschalt, einsehbar. Dass dieses Herausragen erlaubt ist, erkennt, wer andere Gebäude auf dieser Seite der Zürcherstrasse anschaut. Nur sind es sonst Erker oder Balkone, die in den oberen Stockwerken über dem Trottoir hängen.
Den Lift allerdings hat Thomas Hildebrand im Inneren des Gebäudes eingebaut, in einer Art zentralen Box, die auch die Nasszellen der Wohnungen aufnimmt. Auf jedem Stock fehlen aber Innenwände, abgesehen von dieser Box. Das heisst, die Wohnfläche ist ein einziger, rund 80 Quadratmeter grosser Raum. Die Häuser auf der rheinnäheren Seite der Zürcherstrasse müssen sich alle einer speziellen Herausforderung stellen: Zur Strasse hin, wo es wegen viel Durchgangsverkehr und dem 3er-Tram laut ist, fällt das Licht ein. Das ist die Südseite. Der ruhige Innenhof ist auf der Nordseite. Dort scheint gar keine Sonne. Hildebrand Architekten haben das so gelöst: Links und rechts des Treppenhauses, das ein wenig in die Grundfläche hineinragt, sind zwei Nischen. Die eine dient als Eingang in die Wohnung, die andere eignet sich als Arbeitsplatz. Das Schlafen ist zum Hof hin. Die Küche ist an der Aussenseite der bereits erwähnten Box.
Ein Holzbau mit Beton ergänzt
Sämtliche Decken sind aus Holz, die Verschalung der Box ebenfalls. Die tragenden Pfeiler sind Massivholz. Der Boden ist aus Anhydrit, eine umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichen Zement-Estrichen.
Es ist nicht ganz einfach, diesen speziellen, offenen Raum stilvoll und passend einzurichten. In der Wohnung, in die diese Redaktion hat Einblick nehmen dürfen, wurde das mit wenigen, markanten Möbeln, überwiegend ebenfalls aus Holz, elegant gelöst. Die Bewohner haben zudem auf eigene Kosten einen extra schweren Akkustikvorhang installiert, um im Schlafteil Ruhe zu haben. In der Küche vermissen sie den Stauraum, haben aber bereits eine zündende Idee, wie das zu lösen ist.
Grosszügig und im Sommer ein Bijou ist die Terrasse. Die (noch nicht bezogene) Maisonnette-Wohnung ganz oben bietet laut Thomas Hildebrand sogar mehr Terrassenfläche als Innenraum. Sie hat zur Strassenseite hin Balkone auf zwei Ebenen und zum Hof hin ebenfalls prächtigen Aussenraum.
Im Erdgeschoss, das noch leer ist, wird ein Geschäft einziehen. Im Parterre auf der Hofseite wird es einen Gemeinschaftsgarten geben. Er ist im Entstehen begriffen. Gebaut wurde mit Holz und mit Beton. Die freistehende Aussentreppe ist eine Stahlkonstruktion. Parkplätze gibt es keine, Kellerräume schon. Der Bewohner, der für uns seine Türe öffnete, schwärmt von der angenehmen Wärme des Hauses, seiner Ausstrahlung.